Anfang Dezember saßen wir zusammen und überlegten was die nächste Saison uns bringen könnte. Corona war zu diesem Zeitpunkt noch sehr präsent und ich kämpfte mit den Nachwehen einer Anämie.
Ina äußerte, wohl angefixt von Sylke, doch mal die Ruhr zur Nordseechallenge zu fahren. Innerhalb einer Stunde hatten wir einen Plan, es gab eine gute und günstige ICE-Verbindung von Norden nach Duisburg, Campingplatz war direkt neben dem Ziel und ein Hotel direkt neben dem Startbereich war ebenfalls vorhanden. Schnell war alles gebucht und ein gemeinsames Highlight für die kommende Saison gefunden.
Gesundheitlich hatte ich ab Januar wieder alles im grünen Bereich und das Training lief wieder in gewohnten Bahnen und die Form kam langsam zurück.
Die ersten längeren Ausfahrten liefen gut, mein Knie zickte nicht mehr und ein Zweihunderter Ende April zeigte die Formkurve ging deutlich nach oben und so kam der sportliche Ehrgeiz wieder durch. Das wir einen 300er fahren können mussten wir uns nicht mehr beweisen, einen 30er Schnitt auf einem 300er löste doch einen gewissen Reiz aus.
Ina war doch sehr skeptisch, hatte natürlich fehlende Form und meinte ein 27/28er Schnitt wäre doch auch toll. Bis zum Start musste ich doch noch etwas Überzeugungsarbeit leisten, da sie aber weiß das ich unser Leistungsvermögen immer sehr gut voraussagen kann, hat sie sich dann ihrem Schicksal ergeben.
Ab Pfingsten waren wir dann schon gen Norden im Urlaub unterwegs, bis Mittwoch in Westerstede und dann in Bensersiel. Freitags fuhren wir dann morgens die gut 30 km nach Norden, um dort pünktlich in den ICE nach Duisburg einzusteigen und unser Saisonhighlight konnte beginnen. Das letzte Streckenupdate hat uns bedingt durch zwei größere Umleitungen anstatt der geplanten 300 eine 317 beschert, was für uns jedoch in unseren Planungen nicht wirklich relevant war.
Samstag Morgen pünktlich um 4:30 Uhr ging es los in Duisburg, für die ersten Kilometer benötigte man noch etwas Licht und die ersten Kilometer aus Duisburg raus sind etwas hakelig. Schon auf den ersten Kilometer fiel uns eine Dreiergruppe auf die ein ähnliches Tempo fuhren. Nach ein paar Kilometer trennten sich jedoch unsere Wege, meine Route ging nach links und die drei preschten weiter geradeaus. Wir sagten noch schade, das hätte gut passen können, mental hatte ich mich ja schon auf 300 km Fahrt vorne im Wind eingestellt.
Apropos Wind, der sollte freundlicherweise bis ca. 12 Uhr aus Südwest wehen und dann auf Westwind drehen. Im Prinzip ziemlich gute Bedingungen und die Temperaturen und Sonne spielten ebenso mit, milde 16 Grad war es schon morgens und tagsüber sollte es bis auf 25 Grad ansteigen.
Nach ein paar Kilometer kamen die drei wieder von hinten, wir kamen auf den nächsten Metern ins Gespräch und da es anscheinend gut passte entschieden wir uns zusammen zu fahren.
So vergingen die ersten 50 km wie im Flug und mit Tim, Cord und Matthew hatten wir drei super Mitstreiter gefunden. Der Schnitt zeigte einen guten 29er für den im Prinzip langsamsten Abschnitt der Strecke. Die letzten Kilometer hatte ich viel Führungsarbeit gemacht und einer von den dreien meinte noch entweder hätte ich mich jetzt verblasen oder ich wär ziemlich gut drauf und ich wusste es wird letzteres sein, dafür waren die Beine zu gut und wenn ich mich gut verpflege sollte das passen.
Die erste Verpflegung war im Prinzip kurzer Boxenstop mit Pinkelpause und Flaschen füllen. Gewonnen habe ich an diesem Tag auf jeden Fall die Wertung mit den meisten Pinkelpausen, ich fühlte mich zwischendurch quasi wie ein Durchlauferhitzer, da es im Laufe des Tages aber immer wärmer wurde wollte ich mich bei meinem Flüssigkeitskonsum nicht einschränken.
Positiv war für mich das es an den Verpflegungstellen immer Fanta, Sprite gab, das mit Wasser gemischt ist auf langen Strecken mein Getränk der Wahl und hat sich heuer wieder bewährt.
Bis zum nächsten Verpflegungsstop bei Km 110 lief es richtig gut, da ich meinen Garmin auf 25km-Runden eingestellt habe, konnte ich hier zwischen 75-100 eine 32,8er Schnitt auslesen. Insgesamt stand der Schnitt bei km 110 bei 30,4, die wir im Laufe des Tages nicht mehr unterschreiten sollten.
Der zweite Verpflegungsstand war als Frühstück ausgewiesen und es gab Kaffee und Brötchen wo wir uns stärkten. Die ganzen Verpflegungsstände waren gut bestückt und schön organisiert und wie ich von vielen selbst geplanten Touren weiß ist dieses hangeln von Verpflegung zur Verpflegung optimal um so eine Tour kurzweilig zu halten. Daumen hoch für die Organisation.
Bis zur nächsten Verpflegung bei 160 km ging es um wie im Flug und wir harmonierten sehr gut für die kurze Zeit die wir uns kannten.
Schnell entwickelte man ein Gespür für die unterschiedlichen Radfahrtypen, Tim war dabei mein liebster Vordermann, er fuhr ein kontrolliertes Tempo, beschleunigte dezent, im Prinzip der perfekte Gruppenfahrer. Matthew war bärenstark, beschleunigte oft hart und so musste doch das eine oder andere Loch zugefahren werden. Aber wenn der Zug mal mit ihm rollte machte das richtig Spaß hinter ihm zu fahren. Cord fuhr ebenfalls stark, manchmal etwas zu hart vorne, aber es war nie ein Problem uns gegenseitig einzubremsen. Für die kurze Zeit die wir uns kannten war das im Prinzip perfekt und eine wirklich tolle Gruppe.
Nach dem Stop bei 160 km ging es dann wie gewohnt weiter, Tim bekam leider etwas Probleme, was jedoch von der Gruppe super aufgefangen wurde und er beim nächsten Stop wieder etwas Energie tanken konnte und sein Tief in den Griff bekam.
Der nächste Stop war das Mittagessen wo wir uns mit Nudeln und einem Kaltgetränk schön verpflegen konnten. Der Schnitt ging kontinuierlich nach oben und nach den 210 km war klar, dass wir das Ding mit 30+ nach Hause schaukeln würden. Ina war ebenfalls bester Dinge und konnte das angeschlagene Tempo super mitgehen und fing so langsam an uns anzutreiben.
Die Abstände zu den Verpflegungsständen wurden jetzt kürzer, bei 250 km gab es Kaffee und Kuchen, den ich ausnahmsweise mal zu mir genommen habe, was meinem Magen jedoch nicht so gut bekommen ist. Meine „Nichtvegane“ Ausnahme hat mir dann so 20 Kilometer Pfötchen gegeben bis ich es dann irgendwann mit einem Gel und Fantagemisch wieder in den Griff bekommen habe. Leistungsmässig hat es mich zwar nicht beeinträchtigt und beim letzten Stop bei Km 281 war es dann nach einem alkoholfreien Weizen wieder alles im Grünen Bereich.
Motiviert sind wir dann die letzten 33 km angegangen, die wieder zu den langsameren Abschnitten gehört. Insgesamt sind die letzten 75-80 km wieder etwas langsamer, was einmal an den größeren Ortsdurchfahrten, teilweise Abschnitte mit gepflasterten Belag oder nicht ganz so guten Belag lag. Den nun spürbaren Westwind steuerte auch seinen Anteil dazu bei. So war es schwieriger das Tempo hoch zu halten, jedoch blieben wir weiterhin über dem 30er Schnitt.
Zwanzig Kilometer vorm Ziel hatten wir dann noch eine Panne, Tim war eine Speiche am Hinterrad gerissen und das Hinterrad hatte so einen Schlag bekommen das es an der Bremse stark schleifte. Es wurde dann entschieden die Bremse abzubauen und diese wurde dann mit Hilfe einer Mullbinde, die eine Betreuerin eines anderen Teilnehmer beisteuerte, fixiert. So rollten wir dann die finalen zwanzig Kilometer bis ins Ziel, der Gegenwind auf den letzten Kilometer wurde gemeinschaftlich gemeistert und wir fuhren zusammen nach 10:20 Stunden netto Fahrzeit ins Ziel. Das bedeutete dann einen glatten 30,5er Schnitt und wir hatten die Mission 30+ erfolgreich absolviert.
Ina und ich hatten keinerlei Einbrüche oder Probleme, wir fühlten uns den ganzen Tag gut, die Ernährung hat bis auf den kleinen Aussetzer gut funktioniert und es hätten durchaus noch ein paar Kilometer mehr sein können. Die sonstigen gern mal auftretenden Zipperlein an Rücken, Nacken und so gab es genausowenig wie Sitzprobleme.
Heute am Tag danach sind die Beine noch erstaunlich frisch, sicher hat man so eine allgemeine Müdigkeit, insgesamt jedoch alles im grünen Bereich.
Wenn man einen perfekten Radtag beschreiben sollte, war gestern so ein Tag. Zusätzlich noch drei tolle Radfahrer kennengelernt, die die ganze Tour nochmal aufgewertet haben. Die Organisation des Event war gut und empfehlenswert. Ein gelungener Tag auf dem Rad an den wir uns gerne erinnern werden.
